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Boom for Real: Die PR kann von Basquiat lernen

Boom for Real: Die PR kann von Basquiat lernen
von Dennis Lüneburger – 29. März 2018

 

Guerilla-Aktionen, Multichannel-Kommunikation, Kollaboration, Storytelling – egal, um welche aktuellen Trends der Kommunikationsbranche es sich handelt, Jean-Michael Basquiat beherrschte es bereits im New York der späten 70er und frühen 80er wie kaum ein anderer, über verschiedene Kanäle zu kommunizieren und sich und seine Kunst selbst zu vermarkten.

 „Boom for Real“ – das ist mehr als nur der Titel der Ausstellung, die die Schirn Kunsthalle Jean-Michel Basquiat bis zum 27. Mai widmet. „Boom for Real“ ist Lebenseinstellung, Catchphrase, Claim der Person und Marke Basquiat. Geboren 1960 in Brooklyn, gab sich Basquiat selbst in jungen Jahren niemals mit dem Status Quo zufrieden: Er rebellierte gegen Lehrer und seine Eltern, brach die Schule ab, lebte mit 15 Jahren auf der Straße. Wenige Jahre später verkaufte er seine ersten Gemälde für über 25.000 Dollar. Heute zählen Basquiats Originale zu den teuersten Werken eines US-amerikanischen Künstlers überhaupt. Seine Motive schmücken Schuhe, Sweatshirts und Skateboards bekannter Streetwear-Marken.

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BASQUIAT. BOOM FOR REAL, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2018, Foto: Norbert Miguletz, Kunstwerke: © VG Bild-Kunst Bonn, 2018 & The Estate of Jean-Michel Basquiat, Licensed by Artestar, New York.

 

SAMO©: Guerilla-Poesie

Dass Basquiat es verstand, sich bei seinen relevanten Stakeholdern ins Gespräch zu bringen, zeigen bereits seine frühen Arbeiten als Graffiti-Künstler, die die Ausstellung eröffnen: Unter dem Pseudonym „SAMO©“ platzierten sein Freund Al Diaz und er fragmentierte, poetische Statements im öffentlichen Raum, die zwar nicht einfach zu entschlüsseln, im Gegensatz zu anderen Graffitis jedoch stets gut lesbar waren. Die Tags brachten sie vor allem in SoHo, dem damaligen Herzen der New Yorker Kunstszene, an. Die Taktik ging auf: Lokale Publikationen und Kunstmagazine schrieben über SAMO© und rätselten, wer hinter der „Street Poetry“ steckt.

Diaz und Basquiat gingen wenig später im Streit auseinander und Basquiat gab sich 1980 in der Underground-Talkshow „TV Party“ medienwirksam als Kopf hinter SAMO© zu erkennen und erklärte das Kollektiv für tot. Neben regelmäßigen TV-Auftritten, der Gründung einer Band und einem Ausflug in die Schauspielerei (ebenfalls in der Ausstellung zu sehen und zu hören), widmete er sich vermehrt der Malerei unter seinem eigenen Namen, jedoch keineswegs auf klassische Art und Weise. Seine Leinwände baute er selbst. Auch gefundene Objekte wie Holzboxen, Vasen oder Kühlschränke wurden zur Projektionsfläche für seine Kunst. Seine Einflüsse reichten von Künstlern und Philosophen der Antike über Medizin- und Anatomiebücher bis hin zu Cartoons. Seine oft gesellschaftskritischen Arbeiten verschmelzen Text und Bild, Popkultur und Geschichte.

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Jean-Michel Basquiat, Dos Cabezas, 1982, Acrylic and oil stick on canvas with wooden supports, Private collection, © VG Bild-Kunst Bonn, 2018 & The Estate of Jean-Michel Basquiat. Licensed by Artestar, New York

 

Basquiat X Haring X Warhol X Madonna

Seinen Durchbruch als Solokünstler feierte Basquiat nur wenige Zeit nach dem Ende von SAMO©. Über Freunde und seine Galeristen knüpfte er Kontakte zu anderen Kreativen. Es folgten Kollaborationen mit Keith Haring und Andy Warhol sowie eine Beziehung zu der damals noch unbekannten Madonna. Vor allem die enge Freundschaft mit Andy Warhol hatte großen Einfluss auf Basquiat: Sie gaben zusammen Interviews, planten gemeinsame Ausstellungen und porträtierten sich gegenseitig. Durch ihre medienwirksam inszenierten Aktionen war ihnen die Aufmerksamkeit des Kunstmarktes sicher.

Dem kometenhaften Aufstieg folgte der Fall: Aufgrund seines anhaltenden Drogenkonsums und der zunehmend negativen Rezeption seiner Arbeiten durch die Presse wurde Basquiat jedoch immer paranoider. Er beschuldigte Warhol, ihn als Maskottchen missbraucht zu haben und kam nicht damit zurecht, im Schatten des Kunst-Superstars zu stehen. 1987 verstarb Warhol. Obwohl auch diese Freundschaft im Streit endete, war Warhols Tod für Basquiat ein schwerer Schlag. Ein Jahr später starb er im Alter von nur 27 Jahren aufgrund einer Überdosis Heroin.

 

Basquiat lebt

In seiner kurzen Karriere schuf Basquiat ein Oeuvre, das über 1.000 Werke umfasst. Die Ausstellung verdeutlicht die anhaltende Relevanz seiner Kunst anschaulich: Themen wie Rassismus, Stereotypisierung schwarzer Kulturen, Polizeigewalt und die Rebellion gegen Eliten sind in der Gesellschaft weiterhin omnipräsent. Das wilde, ungefilterte Vermischen von verschiedensten Einflüssen und Ideen zu Gemälden, die teilweise in nur 15 Minuten entstanden, scheint wie gemacht für die Generation Instagram. Doch auch Kommunikationsberater werden bei Basquiat schnell fündig: Agile Arbeitsweisen, Brainwriting, Mind-Mapping – „Boom for Real“ ist eine Lehrstunde par excellence!

 

ZUR INFO: Das nächste Art after Work wird voraussichtlich im Herbst in Frankfurt am Main stattfinden. Nähere Infos folgen.

Titelbild: BASQUIAT. BOOM FOR REAL, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2018, Foto: Norbert Miguletz, Kunstwerke: © VG Bild-Kunst Bonn, 2018 & The Estate of Jean-Michel Basquiat, Licensed by Artestar, New York; ergänzt durch eigene Darstellung.