Wie streamt man ein Live-Painting? Das JP│KOM-Kunstevent 2020
Einen hautnahen Einblick in die Welt der Künstlerin konnten Besucher während eines außergewöhnlichen Live-Paintings erhalten: Auf 16 Quadratmeter schuf Yumiko Segawa in knapp sieben Stunden ein neues Kunstwerk, das an ein Fenster mit Vorhängen erinnerte.
JP│KOM hat das Painting mit einem Live-Stream begleitet. So konnten 500 Personen der Künstlerin bei ihrer Arbeit über die Schulter gucken. Christian Lion, JP│KOM Junior-Berater, war für die technische Durchführung des Projekts verantwortlich.
Die Vorbereitungen
Um möglichst allen Fehlern vorzubeugen, begannen wir einige Wochen vor der Veranstaltung mit der Planung. Uns war bereits am Anfang klar, in welchem Raum das Painting stattfinden sollte und dass wir mehr als eine Kamera verwenden wollen. Die wichtigsten Hardware-Produkte hatte JP│KOM auf Lager: drei Kameras, Stative und Computer. Es blieben zwei wesentliche Fragen: Was müssen wir zusätzlich an technischen Geräten besorgen? Und wie kriegen wir die einzelnen Videos damit in den PC und von dort ins Internet gestreamt?
Die Streaming-Basis am Tag des Kunstevents: Drei Monitore haben vieles leichter gemacht.
Bild: Christian Lion
Die Technik
Nach einer ersten Recherche haben wir zusätzliche Ausrüstung bestellt, getestet und anschließend die fehlenden Teile nachgekauft. Bis wir alles beisammen und betriebsbereit hatten, vergingen zwar ein paar Wochen. Nun können wir aber begründet sagen, dass folgende Komponenten für einen Stream dieser Art (ein Raum, drei Kameras und einen Point-of-Interest) zur Verfügung stehen sollten:
Ein leistungsstarker PC
Gaming- oder Grafikrechner können hier als Vorbild dienen. Es sollte mindestens das Niveau eines i5-Prozessors verbaut (besser wäre jedoch i7-Niveau), genug Arbeitsspeicher vorhanden (mindestens 8 GB, wir hatten 16) und ein aktuelles Betriebssystem installiert sein.
Schnelles Internet
Hier ist die Upload-Geschwindigkeit wichtiger als der Download-Speed. Zwischen fünf und acht Megabyte pro Sekunde dürften in den meisten Fällen ausreichen. Es sollten in jedem Fall Ethernet-Kabel verwendet werden, da eine WLAN-Verbindung erfahrungsgemäß störungsanfällig ist. Die Zahlen im Internetvertrag geben nicht immer die Wirklichkeit wieder. Die tatsächliche Geschwindigkeit der eigenen Leitung lässt sich zum Beispiel über den Internet-Speedtest von Google herausfinden.
Die richtigen Kameras
Am besten eigenen sich Kameras der gleichen Bauart, um ein möglichst einheitliches Bild zwischen den Schnitten zu erzeugen. Aktuelle Spiegelreflex- oder Systemkameras sind ideal. Es funktioniert aber auch mit klassischen Videokameras. Die Auflösung sollte mindestens Full-HD (1920x1080 px) betragen. Bei längeren Streams sollten die Akkus der Kameras durch Netzteile in Akkuform ersetzt werden. So können die Kameras endlos laufen.
Ein Netzteil in Akkuform, welches auch bei unserem Stream verwendet wurde.
Bild: Akkushop.de
Einfache Stative
Am wichtigsten ist es, dass die Kameras nicht wackeln oder rutschen. Standardstative mit einfachem Kugellager funktionieren also gut und es braucht eigentlich keinen Schwenkkopf – außer es kommen Kameraleute zum Einsatz, die beweglichen Objekten verfolgen.
Lange HDMI-Kabel
Die Kameras werden nun alle mit passenden Kabeln versehen, die Richtung Computer gelegt werden (Nicht an Kabelbindern sparen!). Bei Distanzen über 10 Meter müssen ggf. spezielle Highspeed-HDMI-Kabel verwendet werden. Wir haben bei diesem Stream auf Kamerafahrten verzichtet. Es sollte aber im Hinterkopf behalten werden, dass Kabel die Mobilität der Kameras erheblich einschränken. Dieser Punkt gilt für die Akkus in Netzteil-Format.
Ein Videomischer
Die meisten PCs werden nur über eine begrenzte Anzahl von HDMI-Anschlüssen verfügen. In der Regel zu wenige. Da HDMI-Signale komplexer sind als das USB-Pendant, kann auch nicht so einfach ein 4-Fach-HDMI-Splitter an einen einzelnen HDMI-Eingang angeschlossen werden. Da viele Streamer das Problem kennen, haben sich einige Firmen auf diese Technik spezialisiert und produzieren sogenannte Videomischer. Wir haben uns für ein Exemplar der Marke Blackmagicdesign entschieden. An diesem Gerät kann auch eine externe Festplatte angeschlossen werden, die den Stream parallel aufzeichnet (Wichtig: Die richtige Formatierungseinstellung der Festplatte beachten).
Der Videomischer „ATEM Mini Pro“
Bild: Blackmagicdesign.com
Die passende Software
Auf dem PC muss nun ein Programm installiert werden, mit dem das Bild der Kameras verwaltet und an die Streaming-Plattform geschickt werden kann (In unserem Fall YouTube. Die Software funktioniert laut Hersteller aber auch mit Facebook-Live und Twitch). Blackmagicdesign liefert eine passende Software mit. Kommen weniger Kameras zum Einsatz und sollen auch Aufnahmen des eigenen PCs gezeigt werden, bieten sich Programme wie OBS Studio an.
Die Software „ATEM Software Control“
Bild: Blackmagicdesign.com
Ein Mikrofon für die Hauptkamera
Für unseren Stream war der Ton von sekundärer Bedeutung. Das ist zum Beispiel bei einem gestreamten Podcast eine andere Geschichte. Wir haben auf unsere Hauptkamera trotzdem ein Richtmikrofon gesetzt. Bei Talkrunden sollten die Gäste mit Funkstrecken versorgt werden, bei Sportereignissen würde jede Kamera ein Richtmikrofon bekommen und zusätzlich ein Reporter eingesetzt werden. Soll nur eine bestimmte Art von Klang aufgenommen werden, zum Beispiel ein Gesangs-Quartett, kann auch ein Stereomikrofon an der passenden Stelle im Raum angebraucht werden.
Ein RØDE NTG2-Richtmikrofon in einem ähnlichen Setup, wie wir es verwendet haben.
Bild: Rode.com
Standbilder für die Software
Ein Stream hat in der Regel Pausen und manchmal auch Störungen. Zudem wird der Stream bereits vor der regulären Zeit gestartet, um letzte Tests durchzuführen. Für diese Situationen braucht es Slides, also Bilder, die in der Software eingespeichert und anstelle der Kamera-Bilder live geschaltet werden können.
Zwei unserer Standbilder des Kunstevent-Streams
Bild: JPKOM
Ausreichend Personal
Im Idealfall kontrolliert am Tag des Streams eine Person ständig das Bild direkt an den Kameras und eine weitere Person überwacht im Regieraum die Eingangssignale und den Upload an die Streaming-Plattform. Noch besser ist es, wenn das Team über Headsets miteinander verbunden ist und die Regie so unmittelbare Anweisungen geben kann. Dabei sollten die Personen an den Kameras nicht oder nur sehr leise antworten, da die Kameras den Dialog sonst wahrnehmen.
Das Know-how
In unserer Agentur haben wir bereits Seminare zum Thema Bewegtbild durchgeführt und wussten deshalb, worauf bei Kameras zu achten ist. Die Arbeit mit dem Videomischer und der Streamingsoftware mussten wir jedoch von Grund auf lernen. Unser Videomischer hat die passende Software mitgeliefert und es gab eine umfassende Bedienungsanleitung und viele Erklärvideos und Beschreibungen im Internet. Einige Kinderkrankheiten mussten wir jedoch in aufwendigem Troubleshooting selbst behandeln. Zum Beispiel wurde nirgendwo erwähnt, dass die HDMI-Slots 2-4 des Videomischers nur mit Standard-HDMI-Kabeln von einer Länge bis zu 3-5 Metern funktionieren. In den hintersten Ecken eines Internetforums stießen wir auf die Lösung: Spezielle Highspeed-HDMI-Kabel verwenden!
Das Fazit
Weil wir frühzeitig mit der Planung begonnen haben, konnten wir die meisten Probleme rechtzeitig ausräumen. Zum Beispiel, dass der YouTube-Kanal erst für das Streaming freigeschaltet werden muss und wie Links für Streams im Vorfeld angelegt werden können. Auch das notwendige Wissen für Kameraverwendung und Stream-Steuerung kann mit der nötigen Vorlaufzeit gut eigenständig erlernt werden. Im ersten Stream verläuft vermutlich nicht alles 100 Prozent nach Plan. Deshalb ist es wichtig, Generalproben durchzuführen, ein verlässliches Team zu haben und einen kühlen Kopf zu behalten.
Den kompletten Stream des JP KOM Kunstevents 2020 gibt es auf unserem YouTube-Kanal zu sehen. Wer schnell einen Eindruck vom Live-Painting bekommen will, kann sich das Zeitraffer-Video des „Fenster“-Live Paintings anschauen.